Sao Miguel

 

Corvo hätte den Abschluss meiner Reise bilden können. Doch Sao Miguel als größte und bevölkerungsreichste Insel muss man wohl zumindest einmal besucht haben, wenn man auf den Azoren ist. Somit ging es vom Flugplatz über Ponta Delgada nach Sete Cidades (Set Zidadsch), das den Ausgangspunkt für den Westen der Insel bieten sollte. Dass es sich wie Ferien auf dem Bauernhof anfühlte, lag an den Kleingehöften im Ort. Doch die Lage an den Seen im Krater neben dem berühmtesten Aussichtspunkt der Azoren (Vista del Rei) ließ den Ort geeignet erscheinen. So ging es über den Aussichtspunkt auf die erste Hälfte der Kraterumrundung inklusive eines Abstechers an die Küste nach Ginetes zum dortigen Leuchtturm. Dass Corvo mir gut getan hat, zeigte sich nach der Rückkehr. Denn ich fühlte mich fit genug, um erneut zum Aussichtspunkt hochzugehen, um das Gegenlicht vom Morgen auszugleichen. Die Menschenmassen dort bewiesen die Bekanntheit dieses Ortes, doch es war genug Platz für ein Foto.

 

Gleich neben dem Aussichtspunkt Vista del Rei steht ein verlassenes Hotel, das unter anderem geschlossen wurde, weil das Wetter zu wechselhaft war. Dieses Phänomen erlebte ich am nächsten Tag, der sonnig begann und ich die Seen vom Vista del Rei erblicken konnte. Doch wortwörtliche 5 Minuten später zog Nebel auf, der sich innerhalb von 30 Minuten über die gesamte Landschaft legte. Als ich am zweitbekanntesten Aussichtspunkt (Lagoa do Canario) ankam, schoss ich eine eindrucksvolle oder beklemmende Bildserie. Und ich verstand, warum das Hotel schließen musste. Erst gegen 12 - ich hatte gerade die zweite Hälfte der Caldeira-Umrundung gestartet - klarte es bis zur Wolkenlosigkeit auf. Die Ausblicke waren toll.

Doch dann began das selbstgewählte Martyrium. Ich nahm den Bus nach Ponta Delgada, der anstatt 50 Minuten 2 Stunden brauchte, weil er eine nicht angegebene, wenig lohnenswerte Route durch den Nordwesten fuhr. Dadurch verpasste ich meinen Anschlussbus und musste einen deutlich späteren nehmen. Dieser sollte mich dann dicht an den Campingplatz von Rabo de Peixe fahren, doch ließ mich der Busfahrer bei einem Festival in Santana raus, das 6 Kilometer entfernt vom eigentlichen Ziel lag. Nach einer Stunde kam ich dann mäßig gelaunt an. Bereits da hatte ich diese Insel gefressen. Dass ich dann noch vom sehr speziellen Campbetreiber Renato angemeckert wurde, was ich auf seinem Platz machen würde, bevor ich mir sein 15 minütiges Briefing anhören durfte, bei dem er mich fast rausgeschmissen hätte, gab mir den Rest. Im Endeffekt habe ich das Zelt im Dunkeln aufgebaut und bin 16 Stunden nach dem Frühstück zum Essen gekommen. Ganz ehrlich, an diesem Tag habe ich es bereut, nach Sao Miguel zu fliegen. Mit dieser Insel bin ich durch!

 

Leider bestätigte der nächste Tag meine Meinung des Vortages. Denn nachdem ich zum vielgepriesenen Badewasserfall Caldeira Velha hochgewandert war, war die Enttäuschung über diesen so groß, dass ich nicht mal ein Foto gemacht habe. Ich habe unter größeren, schöneren und natürlicheren Wasserfällen gebadet, ohne 8 Euro dafür zu bezahlen. Mäßig gelaunt ging es weiter zum Lagoa de Fogo, der anfangs im Nebel lag und erst später etwas aufklarte. Die Füße im Wasser des Sees waren ein versöhnlicher Moment. Der eigentliche Spaß begann auf dem Weg zurück nach Ribeira Grande, denn erst habe ich 15 Minuten auf eine (abenteuerliche) Mitfahrgelegenheit gewartet, um dann auf halber Strecke 7 Sekunden nach dem Aussteigen das nächste Auto zu erwischen. In der Stadt angekommen, fielen mir Adjektive wie ärmlich, marode, siffig und dreckig ein. Tatsächlich entdeckte ich Seitenstraßen, in die ich mich nicht mal tagsüber reingetraut hätte. Vielleicht ist meine Meinung nicht objektiv, aber zumindest ehrlich. Dass das Camp später am Tag dann noch nach Fisch gestunken hat, muss man wohl erwarten, wenn man in Rabo de Peixe (Ort des Fisches) ist.

 

Am nächsten Tag ließ ich diesen Abschnitt meiner Reise hinter mir zurück, nicht ahnend, dass die nächsten Tage mehrere Überraschungen für mich bereit hielten. Ich verlagerte mein Zelt nach Furnas ins Gebiet der heißen Quellen, das bei Ankunft in Regen lag. Doch dieser endete nach kurzer Zeit, sodass ich mich aufmachen konnte, den See zu umrunden. Der Abstecher auf den anliegenden Berg jedoch zeigte mir, dass ich körperlich an meiner 4 Wochen-Grenze angekommen war. Doch die Aussicht wollte ich nicht missen.

Um wieder zu Kräften zu kommen, besuchte ich zwei Tage später die heißen Quellen, deren Wasser so eisenhaltig ist, dass sich weiße Kleidung, Haare und Nägel braun-rot verfärben, wenn man sie nicht direkt danach auswäscht. Aber das Wasser ist so warm, dass ich anschließend auf einer Bank sitzend erschöpft eingeschlafen bin. Zur Stärkung gönnte ich mir einen in heißen Erddämpfen gegarten Maiskolben.

 

Zwischen den beiden Tagen in Furnas ging es von dort nach Ponta Delgada, denn Hauptstadtbesuche sind Pflicht. Leider erwies sich die Stadt als genauso leer wie unattraktiv. Doch die Rückfahrt entschädigte für vieles, sogar für die Reisetage 24 und 25 (s.o.). Denn nichts ahnend blickte ich aus dem Fenster, als der Bus eine Haltestelle anfuhr, an der drei junge, mit Rucksäcken beladene Mädels standen. Schnell realisierte ich, dass es meine Mädels von Flores bzw. Corvo waren. Ich freute mich riesig über dieses Wiedersehen. Noch größer war die Freude, als sich herausstellte, dass sie den gleichen Zeltplatz anfuhren, wo sich die zweite Überraschung einstellte. Denn als ich die Rezeption betrat, sah mich der Mitarbeiter an und überreichte mir einen Brief, der für mich abgegeben wurde. Dieser kam von Louisa, mit der ich auf Faial und Flores die Zeltplätze geteilt hatte. Er sagte, dass er noch nie einen abgegebenen Brief erfolgreich weitergeben konnte. Der ganze Tag wurde durch gemeinsames Kochen und Essen gefeiert. Auch die nächsten Tage klangen mit gemeinsamen Mahlzeiten und langen Gesprächen aus. Aus diesem Grund sende ich von hier aus liebe Grüße nach Salzburg! Ihr habt es geschafft, dass ich Sao Miguel nicht komplett verteufel!

 

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